Österreich I – Über Berge, die Menschheit und E-Bikes

Unser erstes Ziel in Österreich ist Salzburg, das direkt hinter der Grenze liegt und uns mit grauem Himmel und Regen begrüßt. Die Stadt wirkt trotz der vollen Straßen und Plätze auf uns sehr stilvoll und elegant, ein wenig majestätisch und vor allem chic, herausgeputzt. Weshalb wir, die wir schon seit ein paar Tagen ungeduscht sind und deshalb vielleicht nicht mehr ganz frisch aussehen, uns fast ein wenig Fehl am Platze. Nach einer kurzen Stadtrundfahrt mit Halt an der Salzach, dem Geburtshaus Mozarts und der Getreidestraße in der Altstadt machen wir uns deshalb relativ schnell auf den Weg stadtauswärts zu einem Campingplatz. [Die Hotels in der Stadt sind absolut unbezahlbar und Wildcamping in Stadtgebieten nicht unsere Spezialität.]

Weil es am nächsten Tag durchregnet, können wir uns auch dann nicht zu einer ausführlicheren Stadtrundfahrt aufraffen und treffen uns stattdessen lieber mit Angi und Reini von saddlestories.at zum Kaffeetrinken und Pizzaessen. Die beiden sind nach zwei Jahren Fahrrad-Weltreise coronabedingt aus Malaysia nach Hause geflogen, planen aber einen neuen Anlauf und haben viele Geschichten von unterwegs zu erzählen.

Berge und Pizza

Am Tag darauf scheint die Sonne wieder aus voller Kraft, weshalb wir in Begleitung von Angi und Reini aus Salzburg aufbrechen. Österreich hat kein Erbarmen mit uns und unseren mittlerweile wieder ausgesprochen untrainierten Oberschenkeln, denn am Ortsausgang geht es mit einer Steigung von gefühlten 30 Prozent geradewegs bergauf. [Auf den Schildern sind keine genauen Zahlen zum Anstieg vermerkt, dafür aber der Hinweis auf Schneeketten, was meist wirklich kein gutes Zeichen ist.]

Wir haben trotzdem viel Spaß zu viert, staunen über die großartig bunte Bergwelt und essen gemeinsam die restliche Pizza vom Vortag und selbstgebackenen Kuchen von Angi.

Reini ist auf dem Fahrrad eine Maschine und fährt immer wieder voraus oder lässt sich nach hinten fallen, um das Ganze fotografisch zu begleiten. Und so kommt es, dass zum ersten Mal überhaupt Fotos von uns beim Bergauffahren existieren. Wir haben dabei nämlich meistens etwas anderes im Kopf als das Fotografieren [normalerweise sowas wie “Mimimi”] und sind zugegebenermaßen in diesen Situationen einfach zu faul, vom Fahrrad ab- und [viel schlimmer] wieder aufzusteigen.

Am Nachmittag müssen wir uns dann schon von Angi und Reini verabschieden, denn die beiden fahren zurück nach Salzburg. [Vielen Dank für den Kuchen, die Fotos und die Gesellschaft, ihr beiden! Es hat super viel Spaß gemacht, wir sehen uns hoffentlich mal wieder.]

Berge und Tankstellen

Für uns geht es unterdessen über einen äußerst steilen Hügel an die Seen des Salzkammerguts. Zuerst kommen wir an den Fuschlsee, wo unglaublich viele Urlauber die Gehwege verstopfen oder am Ufer liegen und sich die Sonne auf den Bauch scheinen lassen.

Nachdem wir kurz unsere Füße ins Wasser gehalten haben, geht es weiter zur einzigen Tankstelle in Fahrradreichweite, denn wir müssen noch einkaufen und haben vergessen, dass heute Sonntag ist. Seitdem wir Polen zum zweiten Mal verlassen hatten [also seit Ende September 2019] waren uns die Wochentage eigentlich egal, denn die Supermärkte oder kleinere Lebensmittelgeschäfte sind immer und überall geöffnet gewesen, selbst an Sonn- und Feiertagen. In Österreich und Deutschland ist das ja bekanntermaßen anders, weshalb wir uns zu völlig absurden Phantasiepreisen in der Tankstelle versorgen.

Das ist zwar echt ärgerlich, nun aber auch nicht mehr zu ändern, weshalb wir uns lieber auf die wunderschöne Landschaft mit ihren sattgrünen Wiesen, Kühen und Bergen konzentrieren, die wir überall um uns herum zu sehen bekommen.

Berge und Seen

Es dauert auch gar nicht lang bis wir am Wolfgangsee ankommen, den wir vor allem von oben bestaunen. Weiter geht es am Mondsee entlang, wo es extra Fahrradtunnel neben dem Autotunnel gibt, zum Attersee. Wir kannten Österreich bisher vor allem aus dem Winterurlaub mit verschneiten Bergen und präparierten Pisten und sind jetzt absolut begeistert von den kristallklaren Bergseen und den saftig grünen Almen.

Hinter dem Attersee verlassen wir die dicht besiedelten Ortschaften und gehen auf Schlafplatzsuche am Weißenbach. Wir finden eine tolle Stelle direkt am Fluss, an der wir uns ungestört niederlassen und am Abend eine tolle Nebelshow über dem Fluss verfolgen können.

Was wir am Sonntagabend noch nicht wissen, am Montagmorgen aber früh erfahren, ist, dass wir direkt gegenüber eines Kieswerkes das Zelt aufgeschlagen haben. Die Nachtruhe ist also deutlich früher vorbei als erwartet. Das ist allerdings kein Problem für uns, denn wir haben ein gewisses Talent im Bummeln und langsam Frühstücken, dass wir trotzdem nicht früher losfahren müssen.

Es geht erstmal über ein paar tolle Wege am Weißenbach entlang durch den Wald, bevor wir auf einen stark befahrenen Radweg neben der Straße nach Bad Ischl fahren. Nach einer kurzen Pause für ein zweites Frühstück – unser Tankstellenfrühstück war weniger reichhaltig als gewohnt – fahren wir durch die gemütliche wie überlaufene Altstadt, in einen kleinen Park und schließlich auf den Radweg zum Hallstätter See.

Berge und Menschen

Wir hatten schon von mehreren Leuten gehört, dass man in diesem Jahr unbedingt Hallstatt am gleichnamigen See besuchen sollte. Normalerweise ist die Stadt wohl vollkommen überlaufen von asiatischen Touristen, die busseweise ankommen und alle Straßen und Geschäfte bevölkern. Aufgrund der aktuellen Reisebeschränkungen soll Hallstatt in diesem Jahr richtig leer sein, was wohl richtig viele Österreicher dazu veranlasst haben soll, sich mal anzuschauen, wie leer die Stadt ist. [Die Menschheit ist schon eine interessante Spezies.]

Hallstatt ist wirklich ein wunderschöner österreichischer Ort wie aus dem Bilderbuch – an einem See gelegen, gleichzeitig auch an einem Berghang, traditionelle Fachwerkhäuser, kleine Gässchen, ein Wasserfall im Hintergrund, eine Kirche mit markantem Kirchturm im Zentrum. Es wirkt alles schon fast zu perfekt und ein wenig übertrieben. Und von der versprochenen Leere sehen wir vor lauter Menschen auch nicht allzu viel.

Hallstatt ist das österreichische Synonym für unnachhaltigen Massentourismus. Die meisten Touristen werden als Tagesreisende für ein paar Stunden mit dem Bus in die Stadt gebracht, kaufen Souvenirs, gehen vielleicht eine Kleinigkeit essen und fahren abends zurück in die Großstadt, in der sich ihr Hotel befindet. Dementsprechend sind in der Innenstadt vor allem Läden für überteuerte Souvenirs, überteuerten Schnaps und überteuertes Fast Food zu finden. Und ein überteuerter Supermarkt, in dem auch wir uns versorgen, weil wir es verpasst haben, in Bad Ischl zum Discounter zu gehen. Der Preisunterschied zum Tankstelleneinkauf am Vortag ist nicht allzu groß – Österreich ist nicht nur an diesen beiden Tagen ein teures Pflaster für uns.

Berge und E-Bikes

Wir verlassen die Stadt schließlich und machen unsere Runde um den Hallstätter See komplett, indem wir am Ostufer zurück in Richtung Bad Ischl fahren. Der Fahrradweg führt die meiste Zeit direkt am See entlang, hält aber trotzdem viele Anstiege für uns bereit, von denen einige so steil sind, dass wir die Räder schieben müssen. Es ist teilweise echt harte Arbeit, lohnt sich aber meistens, weil es immer wieder einen tollen Blick auf den See und die Umgebung gibt.

Harte Arbeit scheint es allerdings nur für uns zu sein, denn hier in Österreich haben wir das Gefühl, die einzigen Menschen auf der Welt zu sein, die kein E-Bike fahren. E-Bikes sind an sich eine tolle Erfindung, weil sie älteren oder eingeschränkten Menschen das Radfahren erleichtern oder sogar erst ermöglichen, viele Leute überhaupt zum Radfahren bringen und vor allem in bergigen Regionen überaus praktisch sind. Wenn aber ein – sagen wir „umfangreicher“ – Mann in seinen Fünfzigern in voller Rennradmontur auf so einem E-Bike wie auf einer Harley sitzt, die Unterstützung so hoch einstellt, dass er nach fünf Kilometern bergauf nicht einen Schweißtropfen am Körper hat, und dann noch von hinten drängelt, weil es ihm nicht schnell genug geht, dann ist der Spaß vorbei.

Wir sind wirklich entspannte Radfahrer und auf niemanden neidisch, der schneller ist als wir [Es hat halt jeder sein eigenes Tempo.], aber das, was viele Urlauber hier betreiben, hat mit Radfahren nichts mehr zu tun. Da geht es nicht um das Genießen der Natur oder Entspannung im Urlaub. Da geht es darum, so zu tun als würde man Sport machen, als hätte man es eilig, als hätte man sich die drei Stücken Kuchen beim Bäcker anschließend verdient. Das schafft ein gewisses Gefühl von Autobahn auf dem Radweg.

Berge und Gärten

Was uns das Leben in Österreich zusätzlich noch ein wenig erschwert, ist die Schlafplatzsuche. Dieses Land scheint ausschließlich aus Privatgrundstücken, Straßen und Bergen zu bestehen. Die österreichischen Wälder wachsen vor allem an Berghängen und die Felder sind von den Straßen aus einsehbar. Deshalb suchen wir an diesem Tag sehr lange vergeblich nach einem Schlafplatz bis wir Jasmin und Richard in Bad Goisern kennenlernen. Die beiden sind aus Wien dorthin gezogen, gerade dabei ein altes Gasthaus zu einer modernen Frühstückspension zu machen und bieten uns ihren Garten zum Zelten an. Und als wäre das nicht schon liebenswürdig genug, werden wir auch noch mit Linsensuppe verköstigt und lernen ihre Freunde und ihren kleinen Sohn Olivio kennen.

Am nächsten Tag geht es zurück über Bad Ischl an der Traun entlang in Richtung des Traunsees, der sich als der schönste der Seen auf unserer Österreich-Route herausstellt. Da die Straße für den motorisierten Verkehr größtenteils durch einen Tunnel führt und keine E-Bikes in Sichtweite sind, haben wir auf dem Radweg viel Ruhe, um die großartigen Ausblicke auf den See, die Berge und die kleinen Inseln auf uns wirken zu lassen.

Berge und Warmshowers

In Gmunden, das am Nordufer des Sees gelegen ist, versorgen wir uns mit Eis und Lebensmitteln und verabschieden uns vom Salzkammergut und seinen Seen, denn unsere weitere Route führt uns erstmal in den Norden in Richtung Tschechien. 

Nach einer Nacht zwischen einem Wald und einem Maisfeld geht es dann am nächsten Tag weiter in die Stadt Wels, deren Innenstadt ein ganz unerwartet staubiges Achtziger-Jahre-Image pflegt, und weiter nach Hörsching zu Greti und Peter, die uns über Warmshowers bei sich aufnehmen. Die beiden sind Rentner und schon seit über zehn Jahren bei Warmshowers angemeldet, weshalb die Nachbarn uns schon mit einer gewissen Routine auf Englisch begrüßen und uns den Weg zum richtigen Eingang zeigen.

Gerti und Peter leben seit dreißig Jahren mit zwei weiteren Familien in einem traumhaften alten Bauernhaus mit einem riesigen Gemeinschaftsgarten voller Blumen, Beete und Sitzecken. Enkeltochter Paula ist gerade in den Ferien zu Besuch, spielt den ganzen Tag draußen mit den Enkelkindern der Nachbarn und überlässt uns für die Nacht sogar ihr Zimmer unter dem Dach.

Berge und Täler

Am nächsten Morgen brechen wir auf nach Linz, wo wir nicht allzu lange bleiben, weil wir immer noch keine Freunde des Stadtverkehrs geworden sind und lieber in Ruhe außerorts Fahrrad fahren. In Linz kann man bestimmt schön schlendern und in den vielen Cafés am Hauptplatz das Leben und die Sonne genießen. Uns zieht es jetzt allerdings erstmal raus aus der Stadt, in die Natur, in die Ruhe.

Vorher sind allerdings noch einige Kilometer auf dem Donauradweg zurückzulegen, der heillos überfüllt ist und etwa spätestens alle fünfhundert Meter ein Hotel oder ein Restaurant bereithält. Wir nutzen die gute Infrastruktur nochmal, um Flaschen und Reifen zu füllen, sind aber froh als wir schließlich ins Rodltal abbiegen und die Menschenmassen hinter uns lassen können. 

Warum der Weg, auf dem wir dann unterwegs sind, Rodltal heißt, wissen wir auch nicht so genau, denn für ein Tal ist es dort ganz schön hoch und steil. Dafür ist es aber auch so ruhig, dass uns das Rauschen des Bachs nebenan lange begleitet.

Einen Schlafplatz finden wir am Abend nach einem doppelt geplatzten Schlauch an einem Wanderweg neben der Straße, bevor wir am nächsten Tag die tschechische Grenze erreichen. Der Weg dorthin geht nochmal gut auf und ab, führt uns durch ein paar niedliche Ortschaften und endet auf österreichischer Seite an einem alten, verlassenen Grenzposten. Auch wenn sie nur sehr kurz war, haben wir die Zeit in Österreich sehr genossen, freuen uns nun aber auch auf Tschechien und seine Menschen.

Ein paar Daten und Links

  • Kilometerstand 12.000 km
  • Strecke Salzburg – Fuschl am See – St. Gilgen – Weißenbach am Attersee – Bad Ischl – Hallstatt – Bad Ischl – Gmunden – Linz – Schönegg
  • Übernachtungen 6 x Zelt (3 x wild, 2 x Campingplatz, 1 x Garten), 1 x Warmshowers
  • Zeitraum 17. – 24. Juli 2020
  • Instagram, Facebook und Youtube von Angi & Reini von saddlestories.at
  • Alle Fotos in diesem Beitrag, die nicht unser Logo unten rechts in der Ecke haben, hat Reini von saddlestories.at geschossen.

Ein wenig Werbung

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  • Unser Zelt ist das Space L 3P von Vaude und wir sind super zufrieden damit – es hat schon etliche Regennächte und sogar einen mächtigen Sturm überlebt.
  • Auf einem der Bilder im Text ist Anikas Fahrrad-Vase Frieda zu sehen.
  • Wir tragen (manchmal/zu selten) Helme von Alpina und uvex.

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Von Anika

Irgendwas mit Fahrradfahren.

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