Slowakei – oder: Zwischen Bergen und wilden Tieren

Hätten wir nicht vorher auf die Karte geschaut, um zu prüfen, wie weit die Grenze noch entfernt ist, hätten wir wohl gar nicht mitbekommen, dass wir Polen verlassen. Hinter einer unauffälligen Linkskurve, ohne irgendeinen Hinweis auf eine Landesgrenze, wird aus dem Pieniński Nationalpark auf polnischer Seite der Pieninský Nationalpark auf slowakischer Seite und plötzlich sind wir in der Slowakei, Land Nummer sieben.

Das Land empfängt uns direkt mit bestem Nieselregen, der uns bis zum späten Nachmittag verfolgen soll. Der Schönheit des Nationalparks ist das allerdings nicht allzu abträglich, denn unser Weg führt – geschützt durch Bäume – weiter am Fluss Dunajec entlang, auf und an dem viel touristischer Verkehr herrscht. Der Regen und die eher ungemütlichen Temperaturen halten die Slowaken an diesem Wochenende nicht vom Wandern und dem Fahren mit dem Holzboot ab.

Sonne und Wolken

Als es am Abend nochmal schön warm wird, geht es für uns bergauf. Nach einigen Kilometern schlagen wir unser Lager auf über 800 Metern Höhe auf und sparen uns die letzten 150 Höhenmeter für den nächsten Tag auf. Beim Zeltaufbau wird uns erst richtig bewusst, wie weit über dem Meeresspiegel wir uns befinden, als Wolken aufziehen, die die ganze Umgebung innerhalb kürzester Zeit in Nebel tauchen.

Am nächsten Tag geht es dann erstmal so steil bergauf, dass einige Motorradfahrer direkt umdrehen als sie den Anstieg sehen. Wir lassen uns davon aber nicht entmutigen und bezwingen den Berg, von dem wir mit einem hammermäßigen Ausblick, idyllischer Ruhe und einer Abfahrt belohnt werden, die für mehr als fünfzig Stundenkilometer gut ist.

Unten angekommen suchen wir uns ein ungestörtes Fleckchen Wiese, um Hansas Auswärtsspiel in Mannheim zu verfolgen können, und müssen uns leider von einem Glas Schokocreme ernähren, weil in der Slowakei deutlich weniger Geschäfte am Sonntag geöffnet sind als wir es aus Polen gewohnt sind, und wir nichts anderes mehr zu essen haben. Wir führen schon echt ein hartes Leben.

Später durchqueren wir die sehr schönen Orte Spišskà Belà und Kežmarok mit ihren gemütlichen Altstädten. Den ganzen Tag lang begleitet uns die Tatra zu unserer Rechten, die sich mit ihren hohen Bergspitzen im Hintergrund hält, aber den ganzen Tag für eine großartige Kulisse sorgt. Beim Anblick dieses Panoramas sind wir ein weiteres Mal froh, dass wir mit Witek in Krakau diese Route ausgewählt haben, auf der wir uns nun befinden, denn unsere eigene hätte wahrscheinlich eine Überquerung der Tatra beinhaltet.

Tausend Meter

Tags darauf ist es mal wieder an der Zeit, etwas neues kennenzulernen. Diesmal handelt es sich um eine ganz neue Art Wind: Seitenwind in starken Böen. Wir müssen auf dem ganzen Weg nach Poprad hart gegen den Wind lenken, um nicht von der Straße geweht zu werden, dabei aber immer auf den Verkehr achten, denn ein überholender LKW sorgt mitunter für Windschatten, der aus dem Gegenlenken ein Lenken in die falsche Richtung macht. Wir sind allerdings ganz froh, dass sich dieser Umstand hinter Poprad nicht weiter fortsetzt.

Dafür kommt hinter Poprad etwas anderes auf uns zu: der höchste Punkt unserer Reise und die 1.000 Höhenmeter-Marke, die zu knacken ist. Etwas tückisch hinter einer Baustelle am Ortsausgang des Ortes Vernár geht es los und endet erst acht Kilometer später an einer vollkommen unspektakulären Stelle auf 1.040 Metern Höhe.

Man kann nicht unbedingt sagen, dass wir sonderlich schnell unterwegs sind, und man kann mit Sicherheit auch nicht behaupten, wir würden dabei gut aussehen. Aber wir ziehen es durch, Meter für Meter, ohne Pause, ohne Schieben. Und das fühlt sich hinterher richtig gut an.

Bevor es dann wieder bergab geht, belohnen wir uns mit ein paar Schokoriegeln und ziehen uns warm an, denn die Abfahrt ist sehr lang und der Fahrtwind kann in diesen Höhenlagen schon echt kalt werden.

Besuch auf neunhundert Metern

Weil es uns so gut gefallen hat, folgt einige Kilometer später der nächste Anstieg – und zwar direkt der zweithöchste auf über 900 Meter. Nachdem wir bereits auf über 1.000 Metern waren, erledigen wir diesen Anstieg natürlich vollkommen problemlos, ganz entspannt und ohne Atemnot. Und die Oberschenkel brennen hinterher auch überhaupt kein bisschen.

Weil langsam aber sicher die Sonner untergeht und es zu regnen beginnt, machen wir uns auf die Suche nach einem Schlafplatz. Wir finden oben eine Lichtung im Wald, in der mal ein Haus stand, das vor nicht allzu langer Zeit abgebrannt ist. Eigentlich wollen wir etwas abseits des Hauses auf der anderen Seite der Lichtung übernachten, finden aber keinen ausreichend ebenen Untergrund für das Zelt, stattdessen aber Spuren von Wildschweinen und Lecksteine für Wild, weshalb wir uns dazu entscheiden, doch am ehemaligen Haus zu campen.

Als wir fertig sind mit dem Aufbau des Zeltes hört es wieder auf zu regnen und wir können uns zumindest draußen abtrocknen, bevor wir ins Zelt gehen. Zum Abendbrot haben wir Brot, Aufschnitt und eine kleine Packung Kartoffelsalat gekauft. Um in der Nacht keine wilden Tiere auf uns aufmerksam zu machen, packen wir die leeren Verpackungen in eine unserer Fahrradtaschen. Was wasserdicht ist, ist auch undurchlässig für Gerüche. Denken wir.

In der Nacht werden wir nämlich von einem Rascheln im Vorzelt geweckt. Bei genauerem Hinsehen stellen wir fest, dass es nicht im Vorzelt raschelt, sondern in der Tasche, in der sich die leeren Verpackungen vom Abendbrot befinden. Und bei noch genauerer Betrachtung des Ganzen sehen wir das Loch in der Tasche, durch das der Übeltäter da rein gekommen ist.

Nachdem er auch wieder durch jenes Loch geflohen ist, legen wir das Leergut vor das Zelt, finden ein paar Mäuseköttel in der Kartoffelsalatpackung und merken uns fürs nächste Mal: über Nacht bleibt der Müll vor dem Zelt liegen.

Am nächsten Morgen flicken wir das Loch erstmal provisorisch mit Isolier- und Gewebeband, was bisher bei kleineren Löchern auch zuverlässig funktioniert hat. Wir sind damit nicht vollständig zufrieden, weil das Tape auf den Stoffseiten der Tasche nicht hält, aber fürs erste soll es reichen.

Abfahrt

Da wir die Nacht auf dem höchsten Punkt des Berges verbracht haben, beginnen wir den Tag mit zehn Kilometern Abfahrt bei bestem Sonnenschein und tollem Ausblick. Mit einer kleinen Unterbrechung von sechs Kilometern bergauf können wir uns bis in den nächsten größeren Ort rollen lassen.

Dort versuchen wir eine slowakische Prepaid-Sim-Karte zu kaufen, scheitern aber an der Sprachbarriere und den sehr kurzen Öffnungszeiten entsprechender Läden, lernen eine sehr hilfsbereite Englischlehrerin kennen, treffen einen Australier, der mit dem Fahrrad nach England fährt und meint, er wäre schon fast da, und finden einen sicht- aber nicht ganz lärmgeschützen Schlafplatz an einer Bundesstraße.

Am folgenden Tag verlassen wir die Slowakei schon wieder. Obwohl wir nur wenige Tage hier verbracht haben, hat das Land mit seinen Gebirgen einen bleibenden Eindruck hinterlassen und wird als das Land in die Geschichte dieser Unternehmung eingehen, in dem wir zum ersten Mal auf über 1.000 Meter gefahren sind.

Ein paar Daten

  • Kilometerstand*: 5.500 km
  • Strecke (grob): Pieninský Nationalpark – Poprad – Rimavská Sobota
  • Übernachtungen: 4 x Zelt
  • Zeitraum: 28. September – 2. Oktober 2019

*am Ende dieser Etappe

In eigener Sache

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Von Anika

Irgendwas mit Fahrradfahren.

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