Kosovo – oder: Von kleinen Alltagsschwierigkeiten und wichtigen Regeln

Unsere Ausgangslage im Kosovo ist nicht ganz einfach. Weil wir in weiser Voraussicht auf den nahenden Grenzübergang unser serbisches Bargeld ausgegeben hatten und keinen Laden finden konnten, in dem wir mit Kreditkarte hätten zahlen können, konnten wir uns in Serbien nicht für den Tag versorgen. Deswegen bleibt uns nicht viel mehr übrig als zu hoffen, hinter der Grenze einen Geldautomaten oder einen Laden mit Kreditkartenterminal zu finden, um nicht hungrig durch den Tag fahren zu müssen, denn davon sind wir gar keine Fans.

Und um die Sache noch ein wenig zu verkomplizieren, sind wir etwas unter Zeitdruck, denn Hansa spielt am Nachmittag gegen 1860 München und mit unserer serbischen Sim-Karte ist im Kosovo nichts mehr anzufangen. Zusätzlich zu Geld und Essen brauchen wir also auch noch eine Internetverbindung, um das Spiel sehen zu können.

Kleinere Alltagsschwierigkeiten

Wir sind allerdings guter Dinge, denn meistens ergibt sich für solche kleineren Alltagsschwierigkeiten unterwegs schon irgendwie eine Lösung. Wir genießen also erstmal den Weg, der uns sehr lange am Gazivoda-See mit seinem türkisen Wasser und den grünen Berghängen am gegenüberliegenden Ufer entlang führt und nur teilweise von viel zu schnellen Autos befahren wird.

Wir durchqueren nur sehr wenige Orte und können daher weder einen Geldautomaten noch einen größeren Laden finden, in dem wir ein paar Lebensmittel kaufen könnten. Selbst an einer Tankstelle an der Bundesstraße werden wir nicht fündig, denn auch dort wird nur Bargeld akzeptiert – und die Auszeichnung der Benzinpreise erfolgt serbischen Dinar, obwohl man im Kosovo für gewöhnlich in Euro zahlt.

Wir werden langsam etwas unruhig was die Lösung unserer kleineren Alltagsschwierigkeiten angeht, denn der Anpfiff in Rostock rückt immer näher und der immer stärker werdende Hunger führt keineswegs zu einer Entspannung der Lage bei. Stattdessen gibt es erstmal nur Landschaft und Ausblick.

Irgendwann ist es abzusehen, dass wir es nicht mehr schaffen werden, rechtzeitig zum Anpfiff eine Internetverbindung und etwas zwischen die Zähne zu bekommen, also treffen wir eine Entscheidung, die ungemein zur Deeskalation der Gesamtsituation beiträgt: Wir wollen bis nach Mitrovica fahren – also in die erste große Stadt auf dem Weg -, dort etwas einkaufen, Bargeld besorgen und uns schließlich eine überdachte Unterkunft mit WiFi suchen – also ein Hotel oder ähnliches. Dort wollen wir das Spiel in der Wiederholung sehen, ohne uns vorher über das Ergebnis zu informieren. Also live mit Zeitverschiebung.

Dieser Plan lässt sich tatsächlich sehr gut in die Tat umsetzen – zugegebenermaßen ist es nicht besonders schwierig, im Kosovo nicht über die aktuellen Drittligaergebnisse aus Deutschland informiert zu werden – und entspannt die Fahrt ungemein, weil der Termindruck wegfällt.

Mitrovica

Wir radeln also die verbleibenden zwanzig Kilometer nach Mitrovica und der erste Supermarkt am Stadtrand muss für die Versorgung herhalten. An der Kasse gibt es gleich mal einen Eindruck davon, wie es hier im Land so läuft:

Ein Mann mit einem vollen Korb wird von einer Frau mit nur einem Gegenstand in der Hand gefragt, ob er sie vor lasse, willigt ein und muss danach tatenlos mit ansehen, wie die Frau offenbar alle ihre weiblichen Verwandten heran winkt, die ebenfalls ihre Waren auf das Laufband legen und alle einzeln bezahlen. Dazu kommt noch eine Warenrückgabe, die die Kassierin etwas überfordert, und am Ende ärgert sich der gute Herr wahrscheinlich nicht wenig über seine Freundlichkeit.

In der Innenstadt ist dann relativ einfach ein Hotel zu einem sehr günstigen Preis gefunden und die Fahrräder in einem Raum [oder eher „auf einer Baustelle“?] neben der Rezeption abgestellt, sodass wir ganz in Ruhe Hansas Sieg gegen 1860 sehen und alles aufessen können, was wir eingekauft haben. Die geplante anschließende Stadtbesichtigung muss allerdings wegen akuter Unlust, das Bett zu verlassen, auf den nächsten Tag verschoben werden.

Nachdem wir durch den Ruf des Muezzins geweckt worden sind, machen wir uns auf die Suche nach einer Lokalität, in der wir einen Kaffee und etwas zu essen bekommen, müssen aber feststellen, dass im Kosovo keine Notwendigkeit bestehen zu scheint, beides in einem Laden anzubieten, sodass immer nur das eine oder das andere im Angebot ist. Etwas unschick nehmen wir schließlich unsere Errungenschaften vom Bäcker mit in ein Café und denken uns, dass es dort okay sein sollte, mitgebrachte Ware zu verspeisen, wenn die anderen Gäste direkt unter dem Schild mit der durchgestrichenen Zigarette rauchen.

Nach einer kleinen Stadtrundfahrt verlassen wir die Stadt schließlich in Richtung Priština und folgen einer vielbefahrenen Straße mit angenehm breiten Seitenstreifen. Dabei haben wir eigentlich nie das Gefühl, uns außerhalb einer Ortschaft zu befinden, denn am Straßenrand reiht sich Tankstelle an Tankstelle an Felgenhandel an Möbelhaus an Restaurant an Motel an Waschmaschinenhandel an Tankstelle. Es gibt immer etwas zu sehen und das sorgt für eine nette Abwechslung zum Lärm der Straße.

Herausforderung auf der Straße

Einige Male verlassen wir die Straße und fahren durch Orte, in denen wir viel angeschaut und oft gegrüßt werden. Am Ausgang eines dieser Orte überholen wir eine kleine Gruppe trödelnder Jungen auf Fahrrädern, die sich dadurch natürlich angestachelt fühlen und uns ihrerseits überholen, damit angeben, dass sie mit dem Vorderrad in der Luft fahren können, und Denis auffordern, es ihnen nachzutun.

Weil das mit zwei Taschen am Vorderrad gar nicht so einfach ist, schnappt sich Denis den Jungen mit der größten Klappe und tauscht mit ihm das Fahrrad. Der Knirps findet dann relativ schnell heraus, worin die Schwierigkeit besteht, und möchte sein eigenes Rad zurück, obwohl Denis auf dem Mountainbike, das mindestens zwei Nummern zu klein für ihn ist, eine ganz gute Figur abgibt.

CDs und Dart

Am frühen Nachmittag erreichen wir dann schließlich Priština, das hinter einem Berg gelegen ist, für dessen Überquerung es ganz praktisch ist, dass wir uns in Serbien ein paar Oberschenkelmuskeln antrainiert haben. Kurz vor dem Gipfel ruft uns eine Frau am Straßenrand „What are you doing here?“ hinterher, worauf Anika mangels Puste nicht mehr antworten kann als „Cycling“, was sich die Frau wahrscheinlich schon gedacht hat. Aber leider ist gerade in diesem Moment mal kein längeres Gespräch möglich.

Nachdem wir später die Fahrräder sicher im Schuppen unseres Hostels abgestellt und uns frisch gemacht haben, unternehmen wir einen kleinen Spaziergang durch die Innenstadt, auf dem wir von der Spezialisierung der einzelnen Geschäfte (traditionelle Kleider, CDs, Wasserhähne) entzückt sind und schließlich gemütlich über den Mutter Teresa-Boulevard schlendern, der voller Menschen ist, die Kaffee trinken, Leute treffen oder ihren Kindern beim Spielen zusehen.

Zurück im Hostel kommen wir nicht drumrum, in ein Dartturnier einzusteigen und das Team, von dem mindestens einer von uns Mitglied ist, zum Verlieren zu verurteilen, obwohl die Auswertung der geworfenen Punkte sehr ernst genommen wird.

Am nächsten Morgen brechen wir relativ früh auf, denn wir haben vor, am Abend die nordmazedonische Hauptstadt Skopje zu erreichen, die knappe hundert Kilometer entfernt liegt. Weil wir aber vor allem auf einer Bundesstraße unterwegs sein werden und das Höhenprofil in Summe eher abschüssig ist, machen wir uns keine Sorgen, dass wir es nicht schaffen werden.

Berufsverkehr, zwei Japaner und eine Grenze

Bevor es allerdings so weit ist, dass wir auf der Bundesstraße Geschwindigkeit aufnehmen können, müssen wir erstmal aus Priština heraus kommen, was im Berufsverkehr am Montagmorgen viel Aufmerksamkeit erfordert, denn die Verkehrsregeln sind zwar theoretisch bekannt, aber offenbar nicht in praktischer Anwendung, und die Spurmarkierungen scheinen auch eher eine Empfehlung zu sein.

Nachdem wir es heil aus der Stadt heraus geschafft haben, rollt es tatsächlich ganz gut. Je weiter wir uns von der Hauptstadt entfernen, desto weniger dicht besiedelt ist die Gegend. Am Nachmittag finden wir uns zwischen bunt bewachsenen Bergen wieder und müssen uns eigentlich nur noch in Richtung Grenze abwärts rollen lassen als wir kurzzeitig die Bremse ziehen, um einen Plausch mit den beiden Japanern zu halten, die uns entgegen kommen.

Nari ist schon seit über zwei Jahren mit seinem Fahrrad auf Weltreise, gerade auf dem Weg nach Portugal und für ein paar Wochen in Begleitung eines Freundes unterwegs. Es ist nicht allzu lange Zeit für ein Gespräch, denn die beiden wollen an diesem Tag noch Priština erreichen, das noch gute fünfzig Kilometer bergauf entfernt liegt.

Und kurze Zeit später – als wir uns schließlich auch von dem Gebirge verabschiedet haben, in dem wir unterwegs sind, seitdem wir Belgrad verlassen haben, finden wir uns nach nicht mal drei Tagen an der Grenze zu Nordmazedonien wieder und stellen fest, dass wir die Länder zuletzt häufiger gewechselt haben als unsere Kleidung.

Drei wichtige Regeln

Obwohl wir nur für sehr kurze Zeit im Kosovo waren, haben wir drei wichtige Regeln gelernt, die wir jedem mit auf den Weg geben wollen, der mal in dieses interessante Land reisen will:

  1. Verlasse das Haus nie ohne Bargeld, denn Geldautomaten sind rar.
  2. Hab immer etwas Klopapier dabei, denn früher oder später wirst du es brauchen.
  3. Das WLAN-Passwort ist 12345678. Immer.

Ein paar Daten

  • Kilometerstand: 6.702 km
  • Strecke: Vitkoviće – Mitrovica – Priština – Elez Han
  • Übernachtungen: 1 x Hotel, 1 x Hostel
  • Zeitraum: 26. – 28. Oktober 2019

In eigener Sache

Wie ihr vielleicht wisst, finanzieren wir unsere Fahrradweltreise komplett selbst und haben keinen großen Sponsor, der uns versorgt. Wir haben einen Betrag gespart, mit dem wir erstmal eine Weile leben können. Dennoch werden wir bald versuchen, über unseren Blog einige Einnahmen zu generieren, um die Website am Laufen zu halten und einige Kosten zu decken, die auf der Reise anfallen. Erfahrungen anderer Reisender zeigen, dass man durchschnittlich mit etwa zehn Euro pro Person und Tag rechnen kann, womit dann neben der Verpflegung auch Anschaffungen, Reparaturen, Visa etc. abgedeckt sind. Falls ihr Lust habt, uns dabei zu unterstützen, könnt ihr ganz einfach über [diesen Link] einen selbst bestimmten Betrag per Paypal an uns senden. Wir freuen uns über jeden Euro!

Von Anika

Irgendwas mit Fahrradfahren.

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