Lettland II – oder: Ein Tretroller, eine Nacht im Freien und die A1

Wir verbringen einen sehr entspannten Tag in Riga, an dem wir zwei neue Powerbanks kaufen, unsere Wäsche waschen (und diese anschließend kreuz und quer in unserem 9-Bett-Zimmer im Hostel zum Trocknen aufhängen) und eine kleine Fahrradtour unternehmen. Weil wir die Stadt bereits von unserer Ostsee-Umrundung 2017 kennen, haben wir keinen Stress, dass wir irgendwas unbedingt sehen wollen, sondern können uns einfach treiben und den Abend in der wunderschönen Altstadt ausklingen lassen.

Und als wir am nächsten Tag unsere Fahrräder bepacken, geht es genau so weiter wie es vor unserem Ruhetag aufgehört hatte: mit einer Begegnung, die wir so schnell nicht vergessen werden.

Menschen

Vor uns steht ein Typ, Mitte zwanzig, unfassbar trainierte Oberschenkel, mit ein paar Taschen und einem Tretroller und fragt, woher wir kämen und wohin wir wollten. Wir erzählen erstmal unsere Geschichte – erst nach Tallinn, dann ans Mittelmeer – und dann erzählt er seine:

Er kommt aus Schweden und ist mit dem Tretroller unterwegs nach Moskau. Im April ist er in Stockholm gestartet, dann nach Dänemark und mit der Fähre von Gedser nach Rostock. Zwischendurch hat er sich einen neuen Roller gekauft und ist überrascht, dass dieser noch hält, weil er regelmäßig mit zwanzig Kilogramm mehr als das zulässige Gesamtgewicht unterwegs ist. Er erzählt auch davon, dass es bergauf für ihn am schwierigsten ist, weil er viel Kraft aufbringen muss – und seine Oberschenkel erzählen genau die gleiche Geschichte.

Leider muss er los, bevor wir daran denken, nach seinem Namen zu fragen und die hundert Fragen zu stellen, die uns im Nachhinein durch den Kopf gingen.

Straßen

Allzu viel Zeit zum Nachdenken haben wir im Anschluss aber sowieso nicht, denn auch für uns soll es nun wieder auf den Weg gehen. Und in einer Großstadt heißt das erstmal: Autobahn, um aus der Stadt heraus zu kommen. Anfangs gibt es einen Fahrradweg, der später zu einer halben Fahrspur wird und schließlich ganz verschwindet, sodass wir auf der Straße fahren müssen.

Nachdem aus der Autobahn eine Bundesstraße geworden war, wird der Verkehr immer zäher bis ein schöner dicker Stau entsteht. Der Grund ist ganz einfach: es ist Freitagnachmittag, für das Wochenende sind über dreißig Grad angesagt und ganz Riga will an die Ostsee.

Für uns ist das dahingehend ganz angenehm, als dass uns der Stau die vielen Überholungen durch Autos, Busse und LKW erspart und wir mehr oder weniger ungestört neben dem Verkehr fahren können. Gegen einen Fahrradweg hätten wir allerdings auch nichts einzuwenden gehabt.

Strand

Am Abend erreichten wir den Ort Saulkrasti, hinter dem unser Weg zurück auf die Autobahn führen soll. Und weil wir nicht an einer Straße, die den vielversprechenden Namen A1 trägt, zelten wollen, ist es an der Zeit, einen wilden Campingplatz zu suchen. Leider ist der Ort Saulkrasti sehr langgezogen und für lettische Verhältnisse äußerst dicht besiedelt. Erschwerend kommt hinzu, dass der Wald hinter dem Strand außergewöhnlich dünn bewachsen ist, sodass man dort auch nicht ungestört das Zelt aufstellen kann.

Was ist also die Alternative, wenn man trotzdem am Strand schlafen will? Richtig, man schläft dort ohne Zelt, mit dem Schlafsack unter dem Sternenhimmel. Wir essen also erstmal in aller Ruhe zu Abend, sehen der Sonne beim Untergehen und den Leuten beim Nachhausegehen zu und richten uns schließlich unser Nachtlager ein.

Obwohl wir sowas zum ersten Mal machen und wir nicht genau wissen, wie viel Verkehr wir nachts am Strand zu erwarten ist, soll es eine sehr entspannte Nacht mit überraschend viel Schlaf werden. Vor allem vor dem Einschlafen ist es traumhaft, direkt unter dem Großen Wagen zu liegen und auf den Sternenhimmel zu schauen.

Straßen

Nach dem Frühstück geht es am nächsten Morgen weiter durch Saulkrasti und schließlich auf die Autobahn, die uns bis nach Estland begleiten soll. Wir kommen zwar sehr gut voran und profitierten von dem hervorragenden Asphalt, aber Freunde des Fahrradfahrens auf der Autobahn werden wir wohl nicht mehr. Es ist einfach zu laut, zu eng und man muss immer vollkommen konzentriert auf das Fahren sein – die Gedanken schweifen zu lassen, kann gefährlich werden.

Einen kurzen Abstecher von der Autobahn legen wir in Dunte am Baron von Münchhausen-Museum ein. Wir lernen, dass dieser oft hier verweilte, weil ihn sein Freund Georg Gustav von Dunten regelmäßig einlud. Hier soll er sich erstmals als Geschichtenerzähler präsentiert haben – die bekannteste ist wohl die, wie er auf einer Kanonenkugel ritt, um sich ein Bild der Lage zu verschaffen, und im Flug auf eine gegenläufige Kugel umstieg, um zurück an seinen Ausgangspunkt zu kommen.

Wir legen in Lettland noch einen Stopp in dem Ort Svetciems ein, wo wir auf einer Wiese an einem Spielplatz Hansas Auswärtsspiel in Halle sehen, und einen weiteren Stopp in Salacgriva, um unsere Lebensmittel- und Wasservorräte so aufzustocken, dass sie bis zum nächsten Tag ausreichen.

Den Abend verbringen wir uns bereits auf einem Campingplatz in Estland, der für alle zugänglich und kostenfrei ist, denn in Estland ist das mit dem Camping noch deutlich einfacher als zuvor in Lettland. Hier ist das Wildcampen überhaupt kein Problem und es gibt eine ganze Menge Campingplätze, die vom Staat betrieben werden – wie beispielsweise dieser Platz unseres ersten Abends.

Wir hatten eine tolle Zeit in Lettland, das uns mit seinen Stränden und der Ruhe dort sehr überrascht hat. Nach den übervölkerten und viel zu lauten Ostseeorten in Polen, Russland und Litauen, war das eine großartige Abwechslung mit vielen unerwartet schönen Orten.

Auf unserem Weg ans Mittelmeer werden wir Lettland wohl noch einmal durchqueren. Dann allerdings im Landesinneren und wahrscheinlich auf einer deutlich kürzeren Route.

Nun sind wir erstmal in Estland und genießen unsere Zeit hier, denn das Land ist ebenfalls wunderschön, die Straßen führen regelmäßig auch mal durch einen Ort und die Wohnhäuser haben alle einen Hauch von Pippi Langstrumpf.

Ein paar Daten

  • Kilometerstand: 2.115
  • Strecke (grob): Riga – Saulkrasti – Ainaži
  • Übernachtungen: 1 x Hostel, 1 x Strand

In eigener Sache

Wie ihr vielleicht wisst, finanzieren wir unsere Fahrradweltreise komplett selbst und haben keinen großen Sponsor, der uns versorgt. Wir haben einen Betrag gespart, mit dem wir erstmal eine Weile leben können. Dennoch werden wir bald versuchen, über unseren Blog einige Einnahmen zu generieren, um die Website am Laufen zu halten und einige Kosten zu decken, die auf der Reise anfallen. Erfahrungen anderer Reisender zeigen, dass man durchschnittlich mit etwa zehn Euro pro Person und Tag rechnen kann, womit dann neben der Verpflegung auch Anschaffungen, Reparaturen, Visa etc. abgedeckt sind. Falls ihr Lust habt, uns dabei zu unterstützen, könnt ihr ganz einfach über [diesen Link] einen selbst bestimmten Betrag per Paypal an uns senden. Wir freuen uns über jeden Euro!

Von Anika

Irgendwas mit Fahrradfahren.

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