[Dieser Beitrag enthält Verlinkungen und Nennungen von Markennamen. Wir verdienen damit kein Geld, müssen sie aber dennoch als Werbung markieren.]
Kettenblätter und Wartezeiten
Eigentlich wollten wir ja nur für ein paar Tage in Tiflis bleiben, um die Schaltungen an den Fahrrädern austauschen zu lassen. Eigentlich dachten wir, dass unsere Teile von Shimano universell und einfach auszutauschen wären. Eigentlich sind wir davon ausgegangen, dass wir sie in jedem gut sortierten Fahrradladen auf der Welt finden können. Aber dann mussten wir feststellen, dass das alles nicht ganz so einfach ist wie wir dachten.
An unseren Fahrrädern müssen je drei Komponenten ausgetauscht werden: Kette, Kassette [Zahnräder am Hinterrad] und Kettenblätter [vorne]. Die ersten beiden sind tatsächlich in den beiden großen Läden der Stadt erhältlich, die Kettenblätter hat aber im ganzen Land niemand auf Lager, weil Shimano derart große Abnahmemengen fordert, dass sie niemand bedienen kann. Und weil die Kettenblätter in der Regel auch nicht ausgetauscht werden müssen, wenn die Fahrradbesitzer nicht so dämlich sind, 10.000 Kilometer mit einer Kette zu fahren, sodass alle Zähne abgenutzt sind.
Man hat in beiden Fahrradläden die Möglichkeit, uns die fehlenden Teile im Internet zu bestellen. Lieferzeit: etwa zwei Wochen. Alternativ könnte man noch die komplette Kurbel inklusive Pedalen durch ein No Name-Produkt aus der Slowakei ersetzen.
Weil wir schon gerne die Originalteile verwenden würden, aber keine Lust haben, zwei Wochen in Tiflis zu bleiben, kontaktieren wir den Hamburger Fahrradladen unseres Vertrauens und bekommen die Info, dass die Kettenblätter dort auf Lager sind und der Versand nach Georgien vier bis fünf Tage dauern sollte. Damit können wir durchaus leben und freuen uns schon, dass wir wohl doch kurzfristig weiterfahren können.
Glitzer und Minen
Die Wartezeit verbringen wir zu einem großen Teil in unserem Hostel, wo wir eine ganze Menge interessanter Leute kennenlernen, unter anderem zwei weitere Radreisende: Lauren, die allein von England nach Australien radelt, und Chris aus Eisenach, der gerade auf dem Weg nach Dubai ist und uns an einem sonnigen Samstagnachmittag zum georgischen Supercup zwischen Dinamo Tiflis und Saburtalo Tiflis begleitet.
Ansonsten wohnen im Hostel noch ein Analyst aus den USA, der auf Reisen arbeitet, weil das günstiger ist als in New York eine Wohnung zu mieten, ein Kolumbianer, der auch nicht so richtig weiß, was er hier eigentlich macht, ein Russe, der uns ein deutschsprachiges Lied über Karl-Marx-Stadt vorspielt und überrascht ist, dass wirklich mal ein Ort diesen Namen trug, ein Franzose, der sein Fahrrad in Albanien gelassen hat, weil er es beim illegalen Grenzübertritt nach Montenegro nicht mitnehmen konnte, sich im Iran aber ein neues besorgen will, und Serge, einer der Besitzer des Hostels, der schwulste Mensch der Welt [“The most important spice in gay cooking is sparkles.” (Das wichtigste Gewürz beim schwulen Kochen ist Glitzer.)], immer gut gelaunt und beliebt bei allen Gästen.
Außerdem ist da noch Jawad aus Syrien, der zwar nicht im Hostel wohnt, aber oft zu Gast ist. Wir unterhalten uns einen ganzen Abend mit ihm über das Leben in seiner Heimat und sind nicht wenig überrascht als er uns erzählt, dass es in Damaskus momentan total ungefährlich wäre. Im Laufe des Gesprächs stellt sich dann allerdings heraus, dass sich sein Verständnis von “ungefährlich” deutlich von unserem unterscheidet:
Ihm ist mal ins Bein geschossen worden, aber dazu wäre es nur gekommen, weil sein Bus außerorts liegen geblieben ist und der Taxifahrer halt nicht wusste, dass er eine bestimmte Straße nicht nutzen sollte. Über die Minen müsse man sich auch keine Sorgen machen, denn “The mines are safe. They are for tanks” [“Die Minen sind sicher, die sind für Panzer.” Will heißen, dass sie nicht explodieren, wenn man nicht mit einem Panzer drüber fährt.]
Jawad hat mehr als sein halbes Leben im Krieg verbracht, ein Massaker in seinem Dorf erlebt, bei dem sechzig Menschen ermordet wurden, und hat nicht vor, jemals in seine Heimat zurückzukehren, denn dann müsste er Wehrdienst leisten und würde in den Krieg geschickt. Er beginnt demnächst ein Medizinstudium in Tiflis und kann seine Familie nur dann sehen, wenn sie sich im Libanon verabreden. Jawad ist trotzdem ein positiver und unglaublich entspannter Mensch, der viel lächelt. Und wir erfahren einmal mehr, wieviel Glück wir hatten, ohne Sorgen und Nöte und weit weg vom Krieg in einem der reichsten Länder der Welt aufwachsen zu können.
Menschen und Märkte
Unseren Aufenthalt im Hostel verlängern wir alle paar Tage um weitere paar Tage in der Hoffnung, dass unsere Ersatzteile bald ankommen und wir aufbrechen können. Laut der Sendungsverfolgung hat unser Paket seinen Startpunkt auch nach einer Woche noch nicht verlassen. Darüber sind wir natürlich etwas verwundert, vermuten aber, dass beim Tracking etwas nicht stimmt, und hoffen einfach, dass es demnächst einfach irgendwo auftaucht. Und während wir so auf Post und Infos aus Hamburg warten, nutzen wir die Zeit, um die Stadt zu erkunden und Kaffee zu trinken.
Nebenbei wird unsere Stimmung immer gereizter, weil wir nichts tun können und nicht wissen, wie der aktuelle Stand der Dinge ist. Außerdem sind wir zunehmend genervter von den Menschen in Tiflis, die scheinbar niemals lächeln, immer schlecht gelaunt sind und erst dann den Weg freimachen, den sie blockieren, wenn man sie mehrfach lautstark darauf angesprochen hat.
Exemplarisch dafür ist ein Gang in den Supermarkt. Bringen wir das Obst zum Wiegen zum zuständigen Mitarbeiter [Ja, das ist ein vollwertiger Berufszweig in dieser Gegend der Welt. Wir wissen nicht mal mehr genau, wann wir zum letzten Mal unsere Frischwaren selbst wiegen durften.], haben wir das Gefühl, aus purer Boshaftigkeit seinen ganzen Tagesablauf zu stören. Stehen wir an der Käsetheke und warten darauf, dass uns jemand ein Päckchen Käse ausgibt [Auch industriell verpackter Käse wird hier von einer eigens dafür ausgebildeten Fachkraft ausgegeben.], scheinen wir die nervigsten und aufdringlichsten Menschen auf dem ganzen Planeten zu sein. Bedanken und verabschieden wir uns nach dem Bezahlen bei der Kassiererin, ernten wir einen Blick als hätten wir den Wunsch geäußert aufs Laufband zu pinkeln.
Nicht mal eine ausgedehnte Wanderung über den riesigen Markt am Hauptbahnhof macht richtig viel Spaß, weil wir auch hier das Gefühl haben, dass niemand wirklich hier sein will – weder Verkäufer noch Kunden. Vieles wirkt lieblos hingeklatscht, Obst wird teilweise aus offenen LKW heraus verkauft, an einem Stand liegen Räucherfisch und Klamotten auf dem selben Tisch direkt nebeneinander.
Nur der kleine Markt an der Trockenen Brücke, auf dem antiker Krimskrams und Kitsch verkauft wird, ist zumindest ganz interessant.
Schaltung und Nabe
Als wir nach fast zwei Wochen dann die Info aus Hamburg bekommen, dass die Sendungsverfolgung keineswegs gestört ist und unser Paket wirklich noch im Laden liegt, haben wir genug vom Warten. Wir bedanken uns bei unserem Fachmann in Hamburg für seine Mühen und melden bei einem der Tifliser Läden an, dass wir die slowakische No Name-Schaltung wollen, die auf Lager ist. Damit haben wir dann zwar nicht mehr die Originalteile von Shimano, aber die scheinen ja doch nicht allzu gängig zu sein wie wir dachten. Außerdem kann das Alternativprodukt ja auch nicht komplett nutzlos sein.
Nachdem wir die Fahrräder abgegeben haben, soll die Reparatur eigentlich sehr schnell gehen, verzögert sich jedoch um einen weiteren Tag, weil der gute Mann vom Service feststellt, dass an Anikas Fahrrad die Hinterradnabe gebrochen ist [Das ist schon die zweite, Denis hatte bereits in Tallinn eine neue Hinterradnabe bekommen.] Dafür ist glücklicherweise auch Ersatz zu bekommen und am Ende glänzen die Räder wie neu, fahren wieder einwandfrei und die Schaltung funktioniert nach einigen Nachjustierungen wieder fast so gut wie vorher.
Diebe und Polizisten
Als wir schon wieder voller Tatendrang sind und uns darauf freuen, am nächsten Tag endlich weiterfahren zu können, folgt noch ein sehr langer, sehr unangenehmer Abend im Hostel. Wir stellen fest, dass dreihundert Euro aus unserem Spind fehlen, vertrauen uns jemandem vom Hostel an und erfahren, dass wir nicht die einzigen sind. Man hat kürzlich festgestellt, dass Serge, der immer fröhliche und gutherzige Typ von der Rezeption, ein Trickbetrüger ist, der schon in vielen Ländern Europas in Hostels gearbeitet und dort die Gäste ausgenommen hat.
Nachdem wir das ausgesprochen hatten, sprechen uns immer mehr Gäste darauf an, dass sie Serge große Summen geliehen haben und sie nicht wieder bekommen. Ein paar Geschichten über weitere Diebstähle machen die Runde. Eine Frau, die erst ein paar Tage im Hostel wohnt, will gesehen haben, wie Serge mit einem Schlüssel am Nachmittag in unser Zimmer gegangen ist. Der Ersatzschlüssel für unseren Spind ist natürlich spurlos verschwunden.
Der Rest des Abends verläuft in einer seltsamen Stimmung, weil jeder weiß, was los ist, aber Serge nicht wissen soll, was alle wissen, und er bereits seine Sachen für die Flucht packt. Später rückt die Polizei an und unterhält sich mit den Besitzern des Hostels auf Georgisch, mit Serge auf Serbisch [weil er Serbe ist] und mit uns auf Deutsch, sodass am Ende niemand weiß, was mit wem besprochen worden ist.
Schließlich heißt es, dass wir so lange das Land nicht verlassen dürften bis die Ermittlungen abgeschlossen sind, wenn wir eine Anzeige stellen. Nachdem wir schon mehr Zeit hier verbracht haben als uns lieb ist und wir nach diesem dubiosen Auftritt nicht allzu viel Vertrauen in die georgische Polizei haben, sehen wir von einer Anzeige ab.
Wir kommen schließlich nochmal glimpflich davon, weil wir am nächsten Morgen unser Geld von Serge zurück bekommen, nachdem wir schriftlich versichert haben, dass wir keinerlei weitere Ansprüche gegen das Hostel erheben. Alle Parteien unterschreiben den handschriftlich verfassten Zettel, den der wieder angerückte Polizist mitnimmt und den wir nicht mal als Beweis fotografieren dürfen. Professionelle Polizeiarbeit fühlt sich für uns etwas anders an.
Und weil wir ihm bei seiner sogenannten Arbeit zumindest einen kleinen Stein in den Weg legen wollen: Der Typ heißt Srđan Drakula [kein Künstlername], hat wegen diverser Betrügereien und Diebstähle schon im Knast gesessen und Fotos und weitere Geschichten von ihm sind [hier] und [hier] zu finden.
Wüste und Einkaufen
Wir sind dann entsprechend froh, als wir gegen Mittag endlich das Ortsausgangsschild von Tiflis passieren, von dem wir schon dachten, dass wir es dieses Jahr nicht mehr sehen würden. Die Gegend hinter den alten Industrieanlagen und Plattenbausiedlungen ist sehr flach, weit und braun – aber vor allem eines: ruhig. Tiflis ist eine sehr laute Stadt, in der man überall Straßenlärm hört und nur selten seine Ruhe hat, und da ist diese Gegend eine willkommene Abwechslung.
Bevor wir nach Aserbaidschan fahren, wollen nochmal einen kleinen Abstecher in die Georgische Wüste unternehmen. Um unterwegs nicht zu verhungern, brauchen wir vorher ein Geschäft, um uns Vorräte für anderthalb Tage zu besorgen, denn in der Wüste ist die Supermarktdichte doch eher überschaubar. Wir haben schon ein wenig Angst, dass der letzte Laden, der auf unserer Karte eingetragen ist, gar nicht mehr existiert, können ihn auf den zweiten Blick dann aber doch finden.
Der Begriff “Laden” ist an dieser Stelle eventuell etwas übertrieben, denn es handelt sich um ein Fenster in einer Hauswand, durch das die Dame dahinter die gewünschten Produkte ausgibt. Und weil natürlich niemand den ganzen Tag Zeit hat, um auf die drei Kunden zu warten, die hier am Tag vorbeischauen, müssen wir klingeln, damit man das Fenster für uns öffnet.
Hinter dem Ort verlassen wir die Hauptstraße und einige Kilometer später den Asphalt. Wir haben relativ starken Rückenwind und sind fasziniert von der Ruhe und Weite der Landschaft. Die Straßen sind unbefestigt und kaum befahren, führen aber trotzdem in einige sehr kleine, sehr weit abgelegene Ortschaften mit riesigen Schaffarmen.
Wir finden einen tollen Camping Spot irgendwo im Nirgendwo und müssen aufpassen, dass unser Zelt beim Aufstellen nicht vom Wind weggeweht wird. Als das dann aber erledigt ist, haben wir einen großartigen Blick auf den Sonnenuntergang und später auf die Lichter der Industrieanlagen, die noch am Horizont zu sehen sind.
Schlaglöcher und Steine
Bevor wir am nächsten Morgen aufbrechen können, gilt es, einen Reifen zu flicken, was gar nicht so einfach ist, weil wir erst das Loch nicht finden können und später mit der Luftpumpe ringen, die an einer Stelle undicht geworden ist und Luft zieht. Was den Morgen nicht unbedingt besser macht, ist, dass wir unser letztes Wasser fürs Frühstück und Abwasch verwenden müssen, und dementsprechend erstmal nichts zu trinken haben als wir uns auf den Weg machen.
Die gute Nachricht ist, dass das Davit Gareji-Kloster, an dem es Trinkwasser gibt, nur acht Kilometer entfernt ist. Die schlechte Nachricht ist, dass der Weg dorthin dermaßen schlecht ist, dass wir anderthalb Stunden brauchen, um dort anzukommen. Zuerst besteht die Straße aus Schlaglöchern, die von etwas festgefahrenem Sand umgeben sind.
Irgendwann wollte dann wohl jemand etwas gegen die Schlaglöcher tun und hat mehrere Tonnen loser Steine auf der Straße verteilt, aber vergessen, sie zu befestigen, sodass wir nur unwesentlich schneller vorankommen als ein Fußgänger. Leider müssen wir uns dermaßen stark auf die Straße konzentrieren, dass wir kaum dazu kommen, die großartige Landschaft zu bewundern, die sich um uns herum befindet.
Nachdem wir am Kloster angekommen sind, den Durst stillen konnten und alle Wasserflaschen aufgefüllt haben, schauen wir uns auf dem Gelände um. Außer uns ist nur eine Handvoll anderer Besucher vor Ort, weshalb das Kloster sehr ruhig und feierlich auf seinem Felsen über dem Tal thront. Über dem Kloster, wo sich noch ein paar Höhlen befinden, stehen zwei Grenzpolizisten, die uns darüber informieren, dass wir nicht allzu weit gehen dürfen, weil wir uns im Grenzgebiet zu Aserbaidschan befinden.
Theorie und Praxis
In die nächste Stadt Udabno sind es noch ungefähr zehn Kilometer. Der Weg soll für ein paar Kilometer die Steinstraße zurück führen, weshalb wir uns für einen Nebenweg entscheiden, den unsere Navigationsapp vorschlägt. Der Gedanke dahinter ist, dass der Weg so klein und unwichtig aussieht, dass niemand auf die Idee kommen würde, dort Steine aufzuschütten, um die Schlaglöcher zu füllen.
Damit haben wir durchaus recht, was allerdings nicht bedeutet, dass wir ohne Hindernisse nach Udabno kommen. Auf dem Weg befinden sich ein paar Schaffarmen, die jeweils von ungefähr zehn Hunden bewacht werden, die alle laut bellend und wenig einladend auf uns zugelaufen kommen. Es gibt auch ein paar Menschen, die gerade damit beschäftigt sind, die Schafe in die Ställe zu bringen, und sich daher nicht die Bohne für uns oder ihre Hunde interessieren.
Nach einem weiteren Hundeangriff, bei dem die Hunde aus einem guten Kilometer Entfernung auf uns zugelaufen kommen, und einer doch wieder aufgeschütteten Straße bergauf erreichen wir Udabno, drehen eine Runde durch die Stadt, in der hauptsächlich Kühe das Verkehrsgeschehen ausmachen und versorgen uns in einem der überteuerten Konsums mit Nudeln und Tomatenmark. In einem Aussichtsturm am Stadtrand finden wir einen wettergeschützten Schlafplatz und richten uns für die Nacht im Erdgeschoss ein, das gerade groß genug ist, um unser Zelt aufzunehmen.
Wind und Zähneputzen
Dass es am nächsten Tag windig werden soll, hatten wir bereits vorab in der Wetterapp gesehen. Dass es aber so dermaßen windig wird, dass man sich gegen den Wind stellen muss, um nicht umgeweht zu werden, hatten wir so nicht erwartet. Das stellt uns vor einige logistische Probleme: Wohin soll man pinkeln? In welche Richtung muss den Zahnpastaschaum spucken? Und wie genau soll man sich da die Haare kämmen?
Auf der Straße kommt der Wind von der Seite, was uns schon deutlich langsamer macht. Eine Linkskurve später weht uns der Wind dann allerdings direkt von vorn ins Gesicht und verlangsamt uns auf Schrittgeschwindigkeit. Wir müssen mächtig gegen den Wind arbeiten, um nicht so langsam zu werden, dass wir das Gleichgewicht verlieren. Und wenn das dann doch mal passiert, müssen wir zur nächsten einigermaßen flachen Stelle schieben, um wieder aufsteigen zu können. Die Höchstgeschwindigkeiten, die hier bergab mit Treten möglich sind, liegen bei elf bis zwölf Kilometern pro Stunde.
Es geht immer mal wieder etwas bergauf und -ab und an einigen Stellen halten ein paar wenige Bäume den Wind ein wenig ab, aber im Großen und Ganzen ist die Gegend flach und lässt einen kilometerweiten Blick auf die Wüste zu.
Nach etwa drei Stunden haben wir sechzehn (!) Kilometer zurückgelegt und erreichen eine scharfe Rechtskurve, die unseren Kurs nach Norden leitet und dafür sorgt, dass der Wind nun schräg von hinten kommt. Plötzlich ist es wieder warm, leise [Gegenwind dröhnt unheimlich laut in den Ohren] und einfach zu treten. Wir bemerken, dass das Fahrradfahren ja echt Spaß machen kann und sind begeistert wie schnell wir vorankommen.
Einige Kilometer und einen platten Reifen später erreichen wir die Zivilisation in Form einer Hauptstraße, die uns in den nächsten Tagen bis an die aserbaidschanische Grenze führen soll. Für die Nacht finden wir einen sichtgeschützten Platz neben der Straße, an dem wir zwar keinen Lärmschutz haben, dafür aber einen Tisch und einen tollen Blick auf die umliegenden Felder.
Nebel und Berge
Als wir am nächsten Morgen aufstehen, ist es ungemütlich feucht, neblig und kalt. Der Nebel und die Kälte begleiten uns den ganzen Tag bis nach Sighnaghi und sorgen dafür, dass wir teilweise kaum zwanzig Meter weit gucken können. Den anderen Verkehrsteilnehmern geht es da natürlich ähnlich wie uns, was aber keineswegs bedeutet, dass man es für notwendig erachtet, das Licht einzuschalten oder die Geschwindigkeit zu reduzieren. Langsam sind wir richtig genervt von den georgischen Autofahrern mit ihrer Rücksichtslosigkeit, den engen Überholungen und dem Hupen, während sie direkt hinter uns fahren.
Eigentlich hatten wir an diesem Tag noch vor, das Kloster Bodbe in der Nähe von Sighnaghi zu besichtigen, verschieben das aber aufgrund des Nebels und der Kälte auf den nächsten Tag. Und nachdem wir Sighnaghi erreicht und festgestellt haben, dass der Weg zurück zum Kloster echt steil bergauf ginge, sagen wir das Vorhaben ganz ab. Einige Dinge sollen halt einfach nicht sein.
Stattdessen schieben wir die Räder am nächsten Tag durch die steilen Kopfsteinpflasterstraßen der Stadt und staunen nicht schlecht über die Aussicht auf das Tal und den Großen Kaukasus, der ganz hinten am Horizont mit seinen schneebedeckten Gipfeln zu sehen ist.
Wir verbringen einen großen Teil des Tages damit, auf den Kaukasus zu und später neben ihm her zu fahren, um schließlich die aserbaidschanische Grenze zu erreichen. Wir sind gespannt auf Aserbaidschan und irgendwie auch froh, Georgien hinter uns lassen zu können. Die letzten Wochen mit dem Warten, dem schlechten Wetter, den Hunden, schlechten Straßen und unvorsichtigen Autofahrern haben echt an den Nerven gezerrt. Wir sind uns wohl bewusst, dass Georgien ein wunderschönes Land ist und mit atemberaubender Natur punkten kann. Aber im Februar ist es einfach braun und kalt und ungemütlich, während wir uns nach dem Frühling und schönem Wetter sehnen, was in Aserbaidschan schon auf uns wartet.
Ein paar Daten und Links
- Kilometerstand: 10.643 km
- Strecke: Tiflis – Rustawi – Udabno – Sagaredscho – Sighnaghi – Lagodechi
- Übernachtungen: 15 x Hostel, 3 x Zelt, 1 x Guesthouse
- Zeitraum: 13. Februar – 3. März 2020
- Rad und Tat in Hamburg
- Lauren aus Australien – Blog und Instagram
- Chris aus Eisenach – Blog und Instagram
- Geschichten über Serge Link I und Link II
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