Jetzt sind wir noch gar nicht dazu gekommen, über unsere letzten Tage in Deutschland zu schreiben, haben aber schon so viele tolle Erlebnisse in Polen gehabt, dass wir diese zuerst mal mit euch teilen wollen.
Wir sind ja über Usedom in Polen eingereist und haben uns erstmal dafür gefeiert, dass wir tatsächlich mit dem Fahrrad nach Polen gefahren sind. (Ja, wir sind auf Weltreise und Polen ist noch nicht ganz so weit weg, aber so weit sind wir halt vorher noch nie gefahren und deswegen kann man sich schon mal dafür feiern.) Anschließend haben wir die EU dafür gefeiert, dass wir keine Zeit mit dem Warten an einem Grenzübergang verschwenden oder nervige Passkontrollen über uns ergehen lassen mussten. Stattdessen konnten wir einfach über eine Brücke fahren, die auf jeder Seite einen Grenzpfeiler hatte, und fertig.
Weil es den Vormittag nach unserer ersten Nacht in Polen durchgeregnet hat, sind wir an diesem Tag erst gegen 13:00 Uhr losgekommen und hatten insgesamt einen eher bescheidenen Tag, weil ziemlich viel Kleinkram nicht geklappt hat. Das größte Ärgernis war, dass Anikas Handy mit dem Gehweg geknutscht und das Ganze nicht so gut verkraftet hat. Außerdem sind wir nicht wie geplant nach Kołobrzeg (Kolberg) gekommen und haben keinen Zeltplatz gefunden, weshalb wir auf einen Campingplatz gefahren sind. In Summe also eher ein Tag zum Vergessen. Allerdings folgten daraus ein paar Erfahrungen, die wir nicht missen wollen und wegen denen wir auf dieser Reise sind.
Am nächsten Tag sind wir nämlich nur bis ins 20 Kilometer entfernte Kołobrzeg gekommen und mussten eine Pause einlegen, weil die Reparatur von Anikas Handy einen Tag dauern sollte. Weil es ein bisschen ungemütlich wurde, schrieben wir einen Host (Gastgeber) von warmshowers.org (eine Plattform, auf der Radfahrer anderen Radfahrern kostenlos eine Unterkunft anbieten) an und hatten Glück. Maciej und seine Familie nahmen uns auf, wenn wir das Zimmer mit Michał, einem anderen Gast, teilen würden. Das war für beide Parteien kein Problem, also mussten wir nur noch ein bisschen Zeit totschlagen und trafen uns abends am verabredeten Treffpunkt.
Wir wurden sehr herzlich empfangen, unser Equipment wurde streng unter die Lupe genommen und für gut befunden und verbrachten den Abend gemeinsam mit unserem Gastgeber Maciej, seiner Frau Ewa, seiner Schwester Dagmar und Michał. Zuerst teilten wir uns im Zweiergruppen auf – Abendbrot zubereiten, Schnaps kaufen, Tisch decken – und dann ging es an letztgenannten. Zum Warmwerden bekamen wir einen doppelten 70 %-igen Slivovica (privat gebraut, im Handel gibt es nur 60 %-igen) serviert und haben anschließend auch gut geschwitzt.
Zum Abendessen gab es neben Salat einen Zitronenvodka, den wir unbedingt probieren mussten, denn den trinkt jeder in Polen. Probiert haben wir – und zwar so viel, dass die Flasche am Ende des Abends leer war. Dazu wurden ein paar politisch nicht ganz korrekte Witze über Polen und Deutschland gereicht und dann erfuhren wir einiges übereinander.
Maciej und seine Frau Ewa sind beide Lehrer, unterrichten ihre Kinder aber selbst zu Hause, weil sie ihnen den Stress in der Schule ersparen wollen. Die beiden lernen vormittags selbstständig oder mit einem Lehrer und haben den ganzen Nachmittag frei für ihre Hobbys und Freunde. Sie müssen nur einmal im Jahr einen offiziellen Test absolvieren, den sie aber wohl regelmäßig mit Bestnoten bestehen.
Die Familie ist total fahrradverrückt, unternimmt jedes Jahr eine große Radtour zusammen und ist sogar mal ein Jahr durch Europa gereist als die Kinder drei und fünf Jahre alt waren. Maciej sagte, man sollte nicht mit dem Radfahren aufhören, weil man Kinder hat, sondern gerade deswegen weiter machen. Wir bekam noch eine Menge Tipps von ihm und sein komplettes Elektroequipment vorgeführt, mit dem er eine Woche autark leben kann.
Michał brauchte ein bisschen, bevor er sich traute, seine Geschichte auf Englisch zu erzählen, aber dafür war sie umso interessanter. Er ist nämlich Bibliothekar aus Leidenschaft, hat nun aber seinen Job aufgegeben, um eine Rundreise um Polen herum zu machen – und zwar in Form eines Herzens. Er geht dabei regelmäßig in Bibliotheken, um mit den Leuten – vorwiegend Kindern – über Polen zu sprechen – die Traditionen, die Kultur und vor allem die polnischen Sagen.
Er will ab dem nächsten Jahr fünf Jahre hintereinander durch verschiedene Teile Europas fahren und dieses Konzept weiter führen. Mit seiner Polen-Tour hofft er, jemanden auf sich aufmerksam zu machen, der ihn finanziell unterstützt. Falls ihr Polnisch könnt, schaut doch mal auf seiner Facebook-Seite vorbei.
Außerdem scheint Michał alles über Polen zu wissen, denn als alle anderen schon im Bett waren, zeigte er uns eine Präsentation über Polen und verschiedene Städte und Regionen, in deren Folge wir uns erstmal eingestehen mussten, dass wir eigentlich noch deutlich länger in Polen bleiben müssten als wir geplant haben. Und uns dämmert, dass es uns wohl in vielen anderen Ländern ähnlich gehen wird.
Nach dem gemeinsamen Frühstück am nächsten Tag musste Michał leider zu seinem nächsten Termin in der Bibliothek von Kołobrzeg und wir nochmal ins Bett. Wir sind erst gegen 16:00 Uhr aufgebrochen, weil das Handy nicht früher repariert war und einige Leute noch einen Mittagsschlaf halten mussten.
Dafür wurden wir mit einem Fahrradweg belohnt, der so direkt an der Ostsee entlang führte, dass wir die salzige Seeluft schmecken konnten und keine unnützen Dinge wie Dünen oder ein Wald die Sicht störten.
Wir verließen die Küste später wieder und fanden einen tollen Platz für unser Zelt an einem See, an dem wir vollkommen ungesehen und für uns waren und mit musikalischen Meisterwerken von Modern Talking und ihren polnischen Geschwistern versorgt wurden, denn im nächsten Ort war offenbar Dorffest mit Diskofox-Zwang.
Heute hatten dann wir endlich mal den ganzen Tag die Gelegenheit, unsere Regenkleidung auf Tauglichkeit zu testen. Fazit: hält eine Weile, aber nicht ewig.
Trotzdem sind wir ganz gut voran gekommen, haben ein bisschen über unsere Bremsen gelernt und wie man sie verstellt und konnten unsere Räder auf ihre Offroad-Fähigkeiten prüfen, denn hin und wieder war der Weg hinter dem Strand einfach komplett sandig oder fehlte gleich ganz, sodass schieben angesagt war.
In Darłowo (Rügenwalde) sind wir eher zufällig in ein Festival für Liebhaber alter Militärfahrzeuge geraten, was sich ziemlich unwirklich anfühlte, weil viele Besucher Uniform trugen und die meisten Buden irgendwelchen Militärkram verkauften.
Unser Lager haben wir zwischen Darłowo (Rügenwalde) und Ustka (Stolpmünde) an einem Fahrrad-Rastplatz mit Meerblick aufgeschlagen und festgestellt, dass es gar nicht so blöd ist, wenn man ein trockenes Zelt hat. Irgendwas ist halt immer.
Wir sind jedenfalls gespannt auf die nächsten Tage in Polen – wir wollen so zur Wochenmitte in Gdansk (Danzig) sein -, hoffen auf besseres Wetter und freuen uns darauf, dass wir auf unserem Weg in Richtung Süden wahrscheinlich nochmal nach Polen kommen werden.
Ein paar Daten
- Kilometerstand: 908 km
- Strecke (grob): Świnoujście – Kołobrzeg – Koszalin – Darłowo
- Übernachtungen: 4 x Zelt, 1 x Warmshowers
In eigener Sache
Wie ihr vielleicht wisst, finanzieren wir unsere Fahrradweltreise komplett selbst und haben keinen großen Sponsor, der uns versorgt. Wir haben einen Betrag gespart, mit dem wir erstmal eine Weile leben können. Dennoch werden wir bald versuchen, über unseren Blog einige Einnahmen zu generieren, um die Website am Laufen zu halten und einige Kosten zu decken, die auf der Reise anfallen. Erfahrungen anderer Reisender zeigen, dass man durchschnittlich mit etwa zehn Euro pro Person und Tag rechnen kann, womit dann neben der Verpflegung auch Anschaffungen, Reparaturen, Visa etc. abgedeckt sind. Falls ihr Lust habt, uns dabei zu unterstützen, könnt ihr ganz einfach über [diesen Link] einen selbst bestimmten Betrag per Paypal an uns senden. Wir freuen uns über jeden Euro!
Guten Tag ihr beiden Weltreisenden,
vielen Dank für diesen launigen Beitrag aus Polen. Der macht Lust auf mehr…..
rad und tat Ottensen
Rüdiger
Vielen Dank! 🙂